Frauen zeigen sich oder

Es ist was es ist

 

Mit entfALTen legen die vier nicht mehr jungen Autorinnen ein mutiges Buch vor. Frei von Wehleidigkeit oder Klagen untersuchen sie jeweils den Status quo ihres Körpers. Nüchtern aber liebevoll betrachten sie ihr Altern als individuelle Entfaltung. Dabei ist ihnen die späte Erkenntnis gemeinsam, was für einen schönen und verlässlichen Körper sie ihr Leben lang hatten.

Verstrickt in das Bemühen, die gesellschaftlichen Zuschreibungen und Erwartungen an sie als Frau zu erfüllen, waren sie unzufrieden mit ihm, haben gehadert. Jetzt, da er sichtlich alt geworden ist, sein Aussehen und seine Vitalität verändert hat, jetzt endlich kommt die Zufriedenheit mit dem, wie er war, und dem, was er über die langen Jahre geleistet hat, dieser depperte Körper. Trotz aller altersbedingten Defizite ist ihm das Begehren und die Fähigkeit zum Genießen nicht abhanden- gekommen.

In unserer optimierungsgeilen Körperkultur ist es ein Tabubruch über Schwäche oder gar Verfall und Einschränkungen zu reden. Alle Anti-Aging-Branchen machen ein lukratives Geschäft damit!

Für mich als Leserin ist dieses Buch ein feministisches Statement, auch wenn das nicht die Absicht der Autorinnen gewesen sein mag.

07.06.2025, Hedwig Dejaco

Zitate: Erich Fried und Elfriede Gerstl

 

"Mit ihrem Buch Altern hat Elke Heidenreich eine Türe aufgestoßen, aber ihr seid mit entfALTen  tatsächlich durchgegangen."

"Ich lese täglich eine oder zwei Geschichten. Es ist ein richtiges Trostbuch." 

Zitate Hedwig Dejaco 

 



 " ehrlich, unverblümt und humorvoll, mit viel Tiefgang und doch leichtfüßig"

 

von Ulli Kobrna (WOAL) *Wohnen ohne Alterslimit

https://wohnen-ohne-alterslimit.at
 

Auch heute noch ist es mutig, privilegiert (wie sich selbst bezeichnen) und durch eine (Schreib)Gruppe inspirierten Frauen vorenthalten, sich einem unüblichen Thema in einer unüblichen Art und Weise zu widmen: nämlich dem Prozess des eigenen Altwerdens in all seinen Facetten, ehrlich, unverblümt und humorvoll, mit viel Tiefgang und doch leichtfüßig; Beobachtetes und Erlebtes, Gedachtes und Befürchtetes in knapper Prosa oder auch Gedichtform gegossen, in Dialogen, minimalistischen Auflistungen oder prägnante Gegenüberstellungen; Jede Geschichte für sich stehend und doch aufeinander bezogen und miteinander ein Ganzes ergeben.

 Ich mochte diese bunte Sammlung an Kurztexten auf Anhieb, die sich mir hinter dem Umschlag mit dem so vielschichtigen Titel „entfALTen“ eröffneten. Die behutsame Gliederung der einzelnen Geschichten in 12 thematischen Kapiteln unterstreicht die Vielfalt der Aspekte des weiblichen Alterns, die hier näher betrachtet werden. Die vier Autorinnen, die zum Zeitpunkt der Publikation alle eine „7“ am Anfang ihrer Alterszahl aufweisen, schöpfen aus den Vollen ihrer Lebenserfahrungen, aus den Beobachtungen ihres Selbst und ihres Umfeldes, aus den Diskrepanzen, Zweifeln und Überzeugungen, ja letztlich Lebensweisen, die sich daraus geformt haben. Was alle Texte eint, ist, dass sie unheimlich konkret, unverschämt und plastisch daherkommen, dass sie – auch wenn es um betroffen machende Themen geht – die Leserin nicht schwermütig zurücklassen; und dass sie garantiert für jede von uns (selbst alternde Frauen) Anknüpfungspunkte ans eigene Leben und Erleben parat halten.
 

„entfALTen“ ist ein Buch von Frauen über Frauen für Frauen, dem ein tiefes feministisches Selbstverständnis zu Grunde liegt. Keine Klagen über Frauenleid, Ungerechtigkeit oder patriarchale Strukturen. Historische oder auch gegenwärtige Verhältnisse und gesellschaftliche Normen und ihre Konsequenzen werden wahrgenommen, beschrieben; und Frau geht damit um, gestaltet, passt sich an oder revoltiert, lotet die Handlungsmöglichkeiten aus; stellt fest, dass das nicht alle Frauen auf der Welt und in der Herkunftsfamilie können und konnten. Ja, wir – die vier Autorinnen und wahrscheinlich die meisten Leserinnen – sind privilegiert, dass wir diese Freiheiten haben, über unser Leben zu bestimmen, es bis ins hohe Alter zu gestalten, bewusst zu erfahren und zu verarbeiten; ein „gutes“ Alter zu erleben – gesellschaftlich und medizinisch abgesichert. Auch diese unaufdringliche frauenzentrierte Grundhaltung macht die Episoden über das Altwerden von Frauen so „leicht“ lesbar.
 

Männer sind ausdrücklich eingeladen, sich auch auf die Lektüre einzulassen. Als Einstieg ist vielleicht der Text „An meine Hormone“ (S. 27ff) zu empfehlen, den frau/man als würdiges Gegenstück zum genialen Sketch des jungen Otto Walkes „Der menschliche Körper“ sehen kann. Interessant wäre, wie die, eindeutig an maskulin-jugendlichen Verhaltensmustern orientierte, Befehlskette der Steuerungszentrale Großhirn an die Organe des als „Saufkopf“ betitelten Barbesuchers wohl heute ausfallen würde - unter der Annahme, dass der Herr an der Bar ebenso wie Otto Walkes auf den 80er zugeht?
 

Egal, wer das Buch zum Lesen erheischt, lasst euch von den Erzählungen ermutigen und bisher nicht gedachten Perspektiven des Altwerdens Raum geben! Altwerden hat Zukunft. Halten wir diese Prozesse in Worten fest, die bisher so noch nie geschrieben worden sind. Dieses Buch ist eine wunderbare Inspiration dafür!

„entfALTen“ – Hautnahe Geschichten von Frauen über das Altwerden

Auguste Reichel (Hrsg.), Maria Kandolf-Kühne, Renate Philapitsch.Aschober, Elisa Starzer  
Buchschmiede, 2025,  
ISBN: 978-3-99181-136-7